Der erste Monat auf Madeira ist rum. 4 weitere Wochen werden folgen. Voraussichtlich. Wer weiß schon, was die nächsten Wochen passieren wird. Seit Ende Januar verbringe ich einen Lebensabschnitt als Digitaler Nomade auf der portugiesischen Insel im Atlantischen Ozean. Zeit für ein Zwischenfazit.
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Der erste Langzeitaufenthalt im Ausland
Meine Entscheidung ins Ausland zu gehen, war von vielen Gründen geprägt.
Einerseits stand die Weiterentwicklung im Vordergrund. Nebenbei wollte ich Ordnung in mein Unternehmen bringen und Altlasten abarbeiten. Zudem möchte ich hier die Grundlagen legen, um von meinem passiven Einkommen leben zu können.
Kurzgefasst: Meine Madeira-Planung war voll mit Aufgaben rund um Projektarbeiten und Persönlichkeitsentwicklung. Touristische Ziele und Ausflüge sind vorerst nebensächlich und beschränkten sich bisher auf wenige Tage.
Eine neue Arbeitsweise
Inklusive Ausbildung und Praktika war ich gut 10 Jahre Arbeitnehmer. Ich habe also jahrelang Aufgaben erledigt, die mir zurechtgelegt wurden.
Nun ist die Situation anders.
Sämtliche Prozesse liegen in meiner Hand – und mussten zum Teil erst geschaffen werden. Dabei habe ich in den letzten Jahren schon bemerkt, dass sich viele Aufgaben (und vor allem Probleme) erst während des Prozesses ergeben. So bin ich mittlerweile an einem Punkt, an dem ich all die notierten Aufgaben, Ideen und Lösungen alleine nicht mehr stemmen kann. Für Festangestellte ist es noch etwas zu früh. An dieser Stelle kommt Outsourcing ins Spiel.
Lernen, Aufgaben abzugeben
Ich frage nur ungern nach Hilfe.
Meistens möchte ich die Kontrolle behalten und alles selbst erledigen. Auf lange Sicht stellt das jedoch ein Problem dar.
Dies musste ich in den letzten Jahren bereits feststellen. So habe ich etliche Grafiken selbst erstellt, ohne dass ich ein Auge für Design habe. Zudem fehlen mir tiefgreifende Kenntnisse in den gängigen Programmen.
Das Resultat war, dass ich viel zu viel Zeit mit Aufgaben verbracht habe, die mir weder Spaß machen noch, dass die Ergebnisse zufriedenstellend waren. (Ernsthaft, du möchtest garantiert nicht die Bilder meiner ersten Webseite sehen.) Folglich entstand doppelte Arbeit, als ich die alten Grafiken durch neue ersetzen ließ.
Zwecks Problemlösung habe ich mir vor Kurzem eine Cashflow-Tabelle erstellt. Zusammen mit dem Vorhaben, das Budget monatlich komplett aufzubrauchen. Vorausgesetzt die Auftragsvergabe hat seinen Sinn.
Im Februar habe ich z.B. jemanden beauftragt, der sich um die Optimierung des Page Speed einer meiner Webseiten gekümmert hat. Letztlich habe ich für den Auftrag knapp 200 Euro bezahlt und bekam nach 2 Tagen ein unglaublich gutes Ergebnis. Ich selbst hätte vermutlich 2-3 Wochen damit verbracht, einiges durcheinandergebracht und die Webseite würde maximal halb so schnell laden.
Dazu habe ich für eine Woche eine virtuelle Assistentin gebucht, die sich um die Einrichtung eines Pinterest Accounts kümmerte. Auch wenn ich Pinterest als Traffic-Quelle sehr schätze, hatte ich schlichtweg keine Lust auf die Arbeiten.
Das beste daran ist, dass ich in der Zwischenweit weiterarbeite und auf diese Weise meinen Output hebeln kann. (Passend dazu schreibe ich diesen Absatz, während ich auf dem Balkon sitze und meine Wohnung gereinigt wird. Die Reinigungsfirma habe ich nicht selbst zahlen müssen, sondern wurde von meiner Airbnb Vermieterin geschickt.)
Komfortzone erweitern: Im Ausland leben und ortsunabhängig arbeiten
Die kontinuierliche Erweiterung meiner Komfortzone ist mir besonders wichtig.
Ich möchte schlichtweg nicht immer den einfachen Weg gehen müssen, sondern mir ein schönes, weitestgehend unabhängiges Leben aufbauen.
Dazu zählen schwere Entscheidungen und steinige Wege. Um mich bestens darauf vorzubereiten, strebe ich ein kontinuierliches Wachstum an. Ich habe mir nicht grundlos Kaizen/改善 auf meinen Unterarm tätowieren lassen.
Durch neue Erfahrungen und unerwartete Erlebnisse möchte ich möglichst viel Prägung erfahren.
Alles anders
Da die Inselgruppe Madeira zu Portugal gehört, ist die Amtssprache logischerweise portugiesisch.
Auch wenn ich Fremdsprachen sehr interessant finde, hatte ich bisher keine Gelegenheit, die Sprache zu lernen. Während der Pandemie beschränken sich die Gespräche eh auf ein „Oi“ an der Supermarktkasse.
Oder im Zweifel halt ein hoffnungsvolles „Can we talk in English?“.
Da ich nicht weiß, wie oft ich in Portugal bzw. Brasilien sein werde, lohnt sich das Erlernen derzeit nicht. Dennoch tauchen überall Schilder und Hinweise auf. Durch meinen (kleinen) spanischen Wortschatz kann ich zumindest den Großteil deuten.
Zu den anderen Hürden, wenn auch sehr kleinen, zählte die Bedienung der Haushaltsgeräte. Sei es mein erster Versuch einen Gas-Herd zu bedienen oder die Waschmaschine, dessen Übersetzungen für mich kaum Sinn machten. Wahrscheinlich habe ich länger gegoogelt, wie diese zu bedienen ist, als ein Waschvorgang dauert.
Letztlich sind all das nur Kleinigkeiten, doch sie sorgen stets für neue Einflüsse und zwingen mich laufend mich damit gedanklich auseinanderzusetzen.
Statt dem Alltagstrott ist eben alles anders.
Neue Erfahrungen auf Madeira sammeln
Ein Erlebnis, welches mir noch lange in Erinnerung bleiben wird, war eine Uber-Fahrt von Funchal zurück nach Caniço.
Beim Einsteigen entschuldigte sich der Fahrer direkt bei mir, dass er kein Englisch spricht. Woraufhin ich mich für meine fehlenden portugiesisch Kenntnisse entschuldigte. Er lachte, öffnete die Google Translator App und schaltete die Konversations-Funktion ein.
Es folgte ein Small-Talk, ohne dass wir eine gemeinsame Sprache beherrschten.
Zum Abschied bedankte ich mich mit einem „Obrigado“. Das brachte ihn erneut zum Lachen und er entgegnete mir ebenfalls mit obrigado.
Eine weitere neue Erfahrung war der Langzeit-Aufenthalt an sich.
Mein längste Zeit außerhalb von Deutschland lag bis dahin bei 14 Tagen. Damals flog ich alleine nach Amerika.
Dennoch habe ich mich nach ein paar Tagen bereits heimisch gefühlt. Doch auch wenn ich den Weg zum Supermarkt nach dem zweiten Mal bereits kannte, blieb Google Maps ein treuer Begleiter.
Madeira ist eine Vulkaninsel und der Ort Caniço bietet viele steile Wege. So wäre bei meiner Fitness jeder verlorene Meter gefühlt ein extra-Kilometer. Sicher ist sicher.
Was ich mir anders vorgestellt habe
Ich brauche mehr Gepäck.
Vor allem einen größeren Koffer.
Es gibt Digitale Nomaden, die ausschließlich mit Handgepäck reisen – inklusive Technik. Obwohl mein Laptop nur 800 Gramm wiegt, würden mir abzüglich den 1,5 kg meines Reiserucksacks gerade einmal 4,7 bis 5,7 kg verbleiben.
Wenn ich bedenke, dass ich noch einen vollgestopften Handgepäck-Koffer dabeihabe, habe ich keine Ahnung, wie andere es schaffen, auf diese Weise zu verreisen.
Dabei habe ich mein Gepäck schon auf das Nötigste reduziert. Für das nächste Reiseziel nach Madeira werde ich mir erstmal einen neuen Koffer kaufen. Da ich jeden Morgen lese, brauche ich ausreichend Platz für Bücher. Ein E-Reader stellt für mich keine Alternative dar.
Außerdem könnte ich so entspannter reisen und einkaufen. Ohne, dass ich mir dauernd Gedanken machen muss, wie ich zum Ende des Aufenthaltes alles in die Taschen quetsche. Ich bin halt weder Frugalist noch Minimalist.
Kommen wir zu dem Punkt, warum ich überhaupt hier bin: die Arbeit. Was meine Produktivität der ersten Wochen angeht, habe ich mich jedenfalls etwas verschätzt.
Ich musste feststellen, wie wichtig eine gute Arbeitsumgebung ist.
Leider habe ich in der Wohnung nur ein sehr schmalen Schreibtisch. Ein vernünftiger Stuhl fehlt ebenfalls. Zwar bin ich mittlerweile bei einer täglichen Arbeitszeit von 6-8 Stunden. Doch in der ersten Zeit habe ich zu viele Stunden liegen gelassen. Aus diesem Grund werde ich mich im nächsten Land in einem Coworking Space anmelden.
Meine Erwartungen und wie es lief
Da ich seit etwa 13 Jahren meine Finanzen tracke, bin ich mir meinem finanziellen Bedarf bewusst. Dementsprechend ging meine Budgetierung für Madeira sehr gut auf. So hat mich der erste Monat auf Madeira 858,78 € gekostet (exkl. Krankenversicherung und Sparpläne). Da ich aber recht wenig gekocht habe, wäre noch Luft nach unten. Also theoretisch.
Anderenfalls hat sich mein Leben kaum verändert.
Das habe ich im Vorfeld so erwartet. Mit der Ausnahme, dass ich mich öfters auf Spaziergänge begehe. Ich starte mit meiner Morgenroutine in den Tag und gehe im Anschluss zur Produktivität über. Abends bilde ich mich mit YouTube Videos weiter oder schaue Naruto. Meistens eher Naruto.
Ein anderes Ziel war es, Meditation in meine Morgenroutine zu integrieren.
Wie lange es dauert, bis etwas zur Gewohnheit wird, ist umstritten. Manche sprechen von 30-60 Tagen. Andere reden von hundert. Ray Dalio meint sogar, dass es bis zu 1,5 Jahre dauert, bis sich eine Gewohnheit vollkommen gebildet hat. Wobei das von der jeweiligen Tätigkeit bzw. erwünschten Reaktion abhängt.
In meinem Leben habe ich nun an die 300-mal meditiert. Bisher konnte ich es nicht nachhaltig beibehalten. Doch im Februar bin ich jeden Morgen mit einer Meditationseinheit in den Tag gestartet.
Daher bin ich wohl auf einem guten Weg.
Was mir der Ortswechsel bisher gebracht hat
In erster Linie die Gewissheit, dass ich alleine im Ausland leben kann.
Zudem bereue ich es nicht, meinen Arbeitsvertrag gekündigt zu haben. Ich bin sehr dankbar, dass ich nun meine komplette Energie auf eigene Projekte lenken kann. Ich mag Eigenverantwortung.
Fokus spielt eine wichtige Rolle. So teile ich meinen Tag nach meiner Vorstellung ein und konzentriere mich vollkommen auf den Fortschritt.
Eine weitere Gewissheit hängt unmittelbar damit zusammen.
Ich habe die nächste Bestätigung, dass sich mein Weg lohnt.
Wenn ich mich an die Gründung meines Nebengewerbes im Jahr 2017 zurückerinnere oder wie ich damals erzählte, dass ich nur noch Teilzeit-Arbeitnehmer sein werde, habe ich die komischsten Reaktionen erhalten.
Zwar erhielt ich auch Zuspruch, doch bemerkte auch, wie ich nicht ernst genommen wurde. Mein Selbstvertrauen hat darunter nicht gelitten. Ich fand es eher amüsant. Es gab mir die Bestätigung, dass es die richtige Entscheidung war.
Zu einem höhnischen „DU willst dich selbstständig machen?“ gesellte sich der Vorwurf, ich wäre faul, weil ich nicht in Vollzeit arbeiten würde.
Dabei übersahen die Leute, dass ich zum Teil 12-14 Stunden pro Tag gearbeitet habe, um mir diesen Lebensweg zu ermöglichen. Ich fing an auf alles zu verzichten, was für meinen Weg nicht ausschlaggebend war und baute mir Gewohnheiten auf, die mich täglich weiterbringen. Letztlich habe ich in diesen 4 Jahren mehr Bücher gelesen (185) und Bildung aufgenommen als diese Personen in ihrem ganzen Leben.
Der Unterschied ist halt, dass ich schon 2017 nicht mehr bereit war, für die Ziele oder Träume einer anderen Person zu arbeiten.
Madeira war nur die erste Station auf meiner Reise als Digitaler Nomade. Im dritten Teil meiner Artikelreihe erfährst du mehr über das Leben auf einer kanarischen Insel: